SIGINT10 & Feminism: What seemed to be the problem?

Wie ich bereits in meinem kurzen Bericht über die SIGINT10 geschrieben habe, ging es auch am letzten Wochenende in Köln wieder um Geschlecht. Das Thema wurde durch ein Panel auf die Konferenz getragen, das von Ragni ((Sie hat jetzt selbst auch zum Panel bzw. zu einigen “Kritikpunkten” geschrieben: Deaf. For feminism. A reply on failed criticism on a panel at SIGINT
)) moderiert wurde und den Titel “Women and Geek Culture: What seems to be the problem guys?” trug. Mit Heather Kelley, Eleanor Saitta, Leena Simon und Svenja Schröder saßen vier (Queer-)Feminist_innen auf dem Podium, die sich mit unterschiedlichen Facetten von Geekness und Netzkultur beschäftigen: Heather entwickelt Spiele, Eleanor ist Security-Consultant, Svenja erforscht das Web 2.0, Leena engagiert sich für Freie Software und ist Mitglied der Piratenpartei. Auf dem Panel wurde nicht kontrovers diskutiert. Es war eher ein Zusammentragen von Erfahrungen mit sexistischen Repräsentationen in Computerspielen, Lehrern, die sich nicht vorstellen können, dass Schülerinnen Interesse an Informatik haben oder unangenehme Anmachen auf Konferenzen. Am Ende stellten sie ein paar Ressourcen vor, um sich im Netz zum Thema und Lösungsansätzen zu informieren. ((darunter Geek Feminism Blog, Feminism 101 und Do’s and don’t’s of encouraging women in Linux))

Um zu sehen, dass feministische Positionen scharf angegriffen werden, reichte ein Blick auf Twitter. Anstatt sich mit kritischen Nachfragen und Redebeiträgen zu Wort zu melden, kommentierte manch eine_r die Veranstaltung auf diesem Weg mit einem platten Spruch. Das ist zwar etwas feige, heizte die Diskussion im Raum aber trotzdem an. Und auch nachdem alle den Saal verlassen hatten hörte es nicht auf. Ich war während des Panels ziemlich angefressen vom Unvermögen einiger, sich mal auf eine feministische Perspektive einzulassen. Als ich am Abend aber sah, dass sich in verschiedenen Grüppchen Leute (Männer) über Feminismus, Geschlechterrollen, Männlichkeitsbilder und Normativitäten in der Hackerszene unterhielten, war ich sehr zufrieden, denn ich hatte den Eindruck, dass (queer-)feministische Arbeit fruchten kann. Es gibt aber zwei Probleme, die meiner Meinung nach im Weg stehen.

Erstens: Ich hatte den Eindruck, dass vielen im Publikum nicht klar war, mit welchen Feminismen sie es auf dem Podium zu tun hatten. In Deutschland gibt es ja das Problem, dass Feminismus all zu oft mit der Position von Alice Schwarzer gleichgesetzt wird. Anscheinend sind bestimmte Buzzwords wie Heteronormativität, Differenz oder Queer doch noch nicht angekommen – auch wenn manche_r sie selbst im Munde führt. Damit hängt zusammen, dass Feministinnen anscheinend in der Verantwortung stehen, klar zu machen, dass sie nicht sexualitäts- und lustfeindlich sind. Das finde ich gelinde gesagt merkwürdig. ((An dieser Stelle verweise ich auf die sehr klar formulierten 15 Thesen zu Feminismus und Postgender von Antje Schrupp.)) Auch die Debatten um Intersektionalität und den Zusammenhang von Sexismus, Rassismus, Klassismus und anderen Formen von Diskriminierung, die aus der Geschlechterforschung nicht wegzudenken sind, scheinen vollkommen unbekannte Features von Feminismus zu sein. Es hilft nichts: Diese Punkte müssen wohl explizit benannt werden.

Zweitens: Es ist schwierig zu verstehen, dass komplexe gesellschaftliche Phänomene manchmal paradoxe Handlungsstrategien hervorbringen. Relativ viele haben anscheinend schon von Queer und uneindeutigen Geschlechtergrenzen gehört und finden es wichtig, binäre Normativitäten nicht zu reproduzieren. Ich bin der Meinung, dass feministische Politiken und Theorien die Gefahr der Reproduktion von Heteronormativität und Zwangszweigeschlechtlichkeit wieder mehr selbstkritisch hinterfragen müssen, auch wenn sie diese zum Ausgangspunkt der Kritik nehmen. Es kann aber nicht sein, dass sich Leute hinstellen und Queer auf die Fahne schreiben, die nicht bereit sind, ihre eigenen Praxen zu hinterfragen und ihre Position zu benennen, und damit letztlich nur ihre antifeministischen Reflexe legimieren wollen. Queer ist keine harmlose Variante von Feminismus mit einer moderneren Theorie. Queer ist Widerstand gegen das Normale.

11 comments

  1. lantzschi says:

    danke für den beitrag!

    ich würde allerdings begrüßen, wenn mensch sich theoretisch nicht mehr mit “dem normalen” zu beschäftigen. sonst ist queer nur gegenentwurf zu …normativ und damit die reproduktion desselbigen.

    liebe grüße

  2. SunTsu says:

    Hallo,

    ja, ich war einer derjenigen, die nur kommentiert aber sich nicht zu Wort gemeldet haben.

    Das hatte mehrere Gründe:
    Zuallererst hätten Wortbeiträge von mir den Rahmen gesprengt, es gab so vieles, das ich hätte sagen müssen, und wir waren ohnehin schon spät dran.

    Ich wusste auch garnicht wo ich überhaupt anfangen sollte. An der Ecke, daß einerseits gesagt wurde, daß Frauen sollten in Spielen nicht so klischeehaft dargestellt werden, genau wie Spiele nicht die gängigen weiblichen Klischees erfüllen sollten und andererseits bemängelt wurde, daß man sich nicht mit Figuren identifizieren konnte, weil weibliche Einflüsse fehlten? Was diese aber sein sollten wurde offengelassen, da hätte ich mir etwas mehr Lösungsansatz gewünscht.

    Oder sollte ich an der Ecke anfangen, daß viele Beobachtungen und Theorien so garnicht mit meiner Beobachtung übereinstimmen? Z.B. daß es in Hackerspaces keine Frauen gäbe. Nun bin ich in Gründung eines Hackerspaces involviert, und von 11 Gründungsmitgliedern sind 3 weiblich, und astera ist treibende Kraft hinter hackerspaces.org. Letztere hat sich übrigens später am Abend noch über Kurzsichtigkeit der Genderdebatte beschwert, und wolle von nun an keine Frau mehr sein, sondern als Android bezeichnet werden. Auch von anderen Hackerspaces meiner Umgebung weiß ich von weiblicher Beteiligung, auch an exponierter Stelle, siehe z.B. Atari-Frosch.

    Meine Theorie warum dieses nicht übereinstimmt ist, daß dort vorrangig von US-Amerikanischen Hackerspaces berichtet wurde, und sich deutsche und US-amerikanische Verhältnisse nunmal unterscheiden. Es fehlte hier also an Praxisnähe und somit an Relevanz.

    Ein weitere Themenkomplex, den ich kommentiert habe ist das Thema Leena und die Piraten, bei dem ich auch wieder viel zuviel zu sagen gehabt hätte, und viel zu vieles hätte klarstellen müssen. Leena hat, wie ebenfalls jemand via Twitter schrieb, einen Rekord in Falschdarstellungen pro Sekunde aufgestellt. Das Ironische daran ist, daß sie dabei die “Armes kleines Weibchen mit Kulleraugen”-Karte gespielt hat, was IMHO vollkommen präfeministisch ist. “Die waren alle so böse zu mir, dabei wollte ich nur kandidieren” – das aber war nicht das Problem.

    Das eigentliche Problem war, daß Leena sich schon einen Namen gemacht hat, wie sie selber leidvoll klagte berühmt sei, und dabei viel böses Blut hinterlassen hat, auch und gerade bei einigen Frauen, die sich nicht in die “Schwaches Weibchen”-Ecke stecken lassen wollten. Zur Berühmtheit später mehr. Leena hat z.B. behauptet, sie brauche einen Schutzraum. Nun muss man wissen, daß Vorstaende in der Piratenpartei eigentlich unter Dauerfeuer stehen, und da war eine Frage die ihr gestellt wurde, und die Leena als böse empfand, die ironische Frage ob sie denn stark genug wäre für diesen Posten. Das war vielleicht nicht nett, aber unter diesen Voraussetzungen nachvollziehbar.

    Ein weiteres Problem war, daß sie die Kandidierung in letzter Sekunde gemacht hat. Sämtliche anderen Kandidaten haben sich bereits Wochen vorher aufstellen lassen, und diese Zeit genutzt um sich ausführlich vorzustellen, so daß man sich ein umfassendes Bild machen konnte. Darauf hat Leena verzichtet, das ist ein Schlag ins Gesicht der engagierten Leute, die sich an die Regeln hielten. Ein weiterer.

    Es gab noch mehr Gründe, muss sich aber vor Augen halten, daß Leena trotzdem auf ca. 30% Stimmen kam, und nur der Schatzmeister eindeutig mit 55% gewählt wurde. Ansich also kein schlechtes Ergebnis und keine Schlappe. Dennoch verzichtete sie auf eine Kandidatur als Beisitzer, die ebenfalls Teil des Vorstands sind. All dies hat sie bewusst verschwiegen, und lieber mit den Augen geklimpert und sich beschwert, daß man so gemein zu ihr sei, weil sie eine Frau ist, die sich für die Frauenrechte einsetzt.

    Nun zu der von ihr beklagten und angeblich unbeliebten Berühmtheit. Da muss ich mich fragen: Wenn jemand nicht berühmt sein möchte, warum begibt er (sie) sich dann ins Rampenlicht? Damit meine ich nicht den Einsatz für die Frauenrechte, sondern die andauernden Pressekontakte. Leena gab persönlich eine Pressemeldung heraus, die von einer Initiative der Piratenpartei sprach, ohne das mit irgendwem abgesprochen zu haben, und wann immer ich etwas von Leena höre ist es aus den Medien oder auf Vorträgen. Ich habe Leena mehrfach Fragen gestellt, ob es nun auf Twitter war, oder auf einer Wikiseite, ich bekam KEINE Antwort, nicht eine. Wenn sie den Dialog sucht, und nicht berühmt sein will, warum redet sie nicht mit den Leuten in der Piratenpartei, sondern hauptsächlich mit der Presse und Aussenstehenden? Und nein, ich bin keinesfalls irgendwann ausfällig geworden, sondern fragte ruhig nach ihrer Sicht der Dinge, die sie mir scheinbar nicht mitteilen wollte. Und da bin ich keineswegs ein Einzelfall. Auch auf Parteitagen wird sie eigentlich nur von Presse umschwärmt gesehen, nicht im Dialog mit der eigenen Partei. Wieso ist das so, wenn sie die Berühmtheit doch so ablehnt?

    Wie ich schon früher schrieb, ich bin an Lösungsansätzen interessiert, sonst wäre ich ja nicht dagewesen. Aber die Lösungsansätze bei dieser Diskussion standen eher im Hintergrund, und wurden nur mal eben an die Wand geworfen.

    Zu diesen etwas zu sagen habe ich mir auch verkniffen, ich fasse mal ein paar davon, die ich als besonders widersprüchlich im Kopf habe zusammen:
    Eine Frau hat kein so starkes Selbstbewusstsein wie ein Mann, also sei vorsichtig, mach ihr Komplimente, aber nur die richtigen, da musst Du vorsichtig sein, und flirte blos nicht mit ihr.

    Was soll man da sagen? Glaubt wirklich irgendwer, daß das zu einer Unkomplizierung des Verhältnisses zwischen Mann und Frau führt? Daß das zur Integration von Frauen in einer Geekgesellschaft führt? Mal ganz ehrlich, wenn ich jedesmal, bevor ich mit einem Nerdina rede so ein Handbuch durchwälzen müsste, ich würde garnicht mit ihr reden. Das kann eh nur schiefgehen.

    Was stört mich noch an den Aussagen? Hm, Frauen haben zwangsweise ein geringes Ego? Wieso denn das? Ich kenne sehr selbstbewusste Frauen, und das ist auch gut so. Und, sollte man nicht das vermeintliche Problem angehen anstatt drum herum zu lavieren? Ich finde ja, hier kam wieder das Klischee ins Spiel.

    Und zum Thema flirte nicht mit ihr: Warum nicht? Und, wie vermeide ich es denn überhaupt zu flirten? Wo beginnt flirten, wo endet es? Und können die “geforderten” Komplimente nicht auch wiederum als Flirten misverstanden werden?

    Tut mir leid, für mich ist das nichts halbes und nichts ganzes, und ich mache so weiter wie ich es bisher gehandhabt habe: Ich behandle jeden Menschen als Menschen, ungeachtet des Geschlechts und der sexuellen Orientierung. Damit hatte ich den Eindruck gut zu fahren.

    Ich könnte auch noch einiges weiterschreiben, womit wahrscheinlich deutlich wird, DASS ich den Zeitrahmen dort gesprengt hätte, zudem gehts mir nicht darum meine Frage in den Raum zu poltern, sondern ich würde das gerne ausdiskutieren, dazu war dann erstrecht keine Zeit.

    Viele Grüße,
    Sascha, SunTsu

  3. lantzschi says:

    naja du schriebst: “Queer ist Widerstand gegen das Normale.”

    Queer also als Antithese zu (bitte hier Begriff einsetzen)normativ. Queer benötigt also quasi einen “Gegner”? Kommt queer nicht ohne aus?

  4. ihdl says:

    @lantzschi ich verstehe queer ja so, dass es ein widerständiger störfaktor ist, eben keine identität, nichts eigenes – weil es sich in dem moment ja wieder normalisieren würde. das ist ziemlich paradox, fällt mir gerade wieder auf, denn eigentlich soll sich das gute ja durchsetzen … aber ich würde mal davon ausgehen, dass es trotzdem wieder zu normalisierungen und ausschlüssen kommt, die zumindest hinterfragt gehören.

  5. ihdl says:

    @SunTsu ui, langes kommentar :) ein paar ideen dazu:

    An der Ecke, daß einerseits gesagt wurde, daß Frauen sollten in Spielen nicht so klischeehaft dargestellt werden, genau wie Spiele nicht die gängigen weiblichen Klischees erfüllen sollten und andererseits bemängelt wurde, daß man sich nicht mit Figuren identifizieren konnte, weil weibliche Einflüsse fehlten? Was diese aber sein sollten wurde offengelassen, da hätte ich mir etwas mehr Lösungsansatz gewünscht.

    Es ist ja nicht so, dass sich Frauen nur dann mit Frauenfiguren identifizieren können, wenn sie gängige Klischees erfüllen. Vielleicht gibt’s ein paar, die gerne von Mario gerettet werden wollen. Aber die bessere Strategie wäre wohl, dafür zu sorgen, dass es ganz unterschiedliche Frauen-/Männer-/Tier-/Alien und was weiß ich für Figuren in Spielen gibt. Und eben nicht nur die Prinzessin und die übersexualisierte Kämpferin (Warum brauchen Männer eigentlich immer Schutzpanzer und Frauen können auch gut im Bikini fighten?) Die These ist wohl, dass eine vielfältigere Zusammensetzung des Entwicklungsteams zu einem breiteren Spektrum an Ideen für Figuren führen würde.

    Zu Hackerspaces: Ich glaube, das Metalab in Wien ist tatsächlich ein positives Beispiel. In Hamburg hat jetzt auch einer aufgemacht. Davon hörte ich bisher, dass ne große Gruppe von Männern dort aktiv ist, und nur eine Frau. Ich war noch nicht da und kann nicht beurteilen, wie es dort so ist. Aber ich denke, dass man aktiv dafür sorgen muss, dass Leute sich angesprochen und willkommen fühlen, und nicht einfach nur sagen soll “es kann ja jeder kommen”. Also: Wie können wir Leute, die hier vielleicht auch tolle Sachen machen wollen, gezielt ansprechen? Wie können wir ein angenehmes Klima gestalten? Commitment war ein wichtiges Stichwort, das auch auf dem Penal gefallen ist.

    Die neverending Leena/Piraten Diskussion (was hat sie falsch gemacht? was haben andere falsch gemacht? usw.) lass ich jetzt mal raus.

    Zum Umgang mit Frauen und dem Flirten: Ich kann verstehen, dass die Sachen, die auf dem Panel gesagt wurden, die Sache auf den ersten Blick nicht einfacher machen. Du schreibst ja, dass es ein Klischee ist, davon auszugehen, dass Frauen zwangsläufig ein geringeres Ego haben. Dazu finde ich ganz gut, was Antje Schrupp in den Kommentaren zu den oben verlinkten 15 Thesen geschrieben hat:

    “Ja, der Punkt ist, dass du es in einer bestimmten Situation nicht unterscheiden kannst. Zum Beispiel bist du bei einer hitzigen, schnellen Diskussionsrunde, und da sitzt eine Frau, die wenig sagt, von der du aber annimmst, dass sie vielleicht etwas Kluges beitragen könnte. Du kannst nun nicht wissen, ob sie wenig sagt, weil sie in diese Richtung hinsozialisiert wurde, oder ob sie wenig sagt, weil sie einen anderen Diskussionsstil bevorzugt. Es ist auch unerheblich. Der Punkt ist: Da ist eine Differenz (in dem Fall zwischen dieser Frau und den anderen Anwesenden) und die sollte thematisiert werden, ohne von der Frau zu verlangen, dass sie sich an die Mehrheit anpasst (etwa nach dem Motto: Wer gehört werden will, muss eben auch mal dazwischenreden). Du hättest zum Beispiel die Möglichkeit, zu intervenieren und etwas zu sagen wie „Jetzt redet mal nicht alle durcheinander, ich würde gerne wissen, was X dazu zu sagen hat“.” (http://tinyurl.com/3y2p2wn)

    Von daher ist ja deine Strategie, alle wie Menschen zu behandeln, gut. Wenn es denn bedeutet, dass bei allen Menschen Differenzen und Unterschiede akzeptiert und ggf. berücksichtigt werden und man eben nicht von einem default Menschen ausgeht (der z.b. einfach dazwischen quatscht, wenn er was zu sagen hat).

    Das mit dem Flirten… naja ich denke, das kommt aus der Erfahrung heraus, als Frau auf einer Veranstaltung oder in einem Raum in der Minderheit zu sein und sich den ganzen Abend mit (mehr oder weniger gelungenen) Anmachen beschäftigen zu müssen. Vielleicht haben andere noch Ideen dazu?

  6. Jens says:

    Oder sollte ich an der Ecke anfangen, daß viele Beobachtungen und Theorien so garnicht mit meiner Beobachtung übereinstimmen? Z.B. daß es in Hackerspaces keine Frauen gäbe. Nun bin ich in Gründung eines Hackerspaces involviert, und von 11 Gründungsmitgliedern sind 3 weiblich, und astera ist treibende Kraft hinter hackerspaces.org. Letztere hat sich übrigens später am Abend noch über Kurzsichtigkeit der Genderdebatte beschwert, und wolle von nun an keine Frau mehr sein, sondern als Android bezeichnet werden. Auch von anderen Hackerspaces meiner Umgebung weiß ich von weiblicher Beteiligung, auch an exponierter Stelle, siehe z.B. Atari-Frosch.

    Meine Theorie warum dieses nicht übereinstimmt ist, daß dort vorrangig von US-Amerikanischen Hackerspaces berichtet wurde, und sich deutsche und US-amerikanische Verhältnisse nunmal unterscheiden. Es fehlte hier also an Praxisnähe und somit an Relevanz.

    Zu dieser Stelle, weil mich das Thema besonders beschäftigt: Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob tatsächlich gesagt wurde, dass es NIE Frauen in Hackerspaces gibt (das muss ich mal in der Aufzeichnung nachsehen). Wenn es gesagt wurde, ist es falsch. Es gibt immer mindestens eine Frau, die in jedem mir bekannten Hackerspace “ihren Mann steht”, weil “sie die Eier dazu hat”. Zur Reproduktion von dem, was “normal” ist, wird sie auch eigentlich immer tolerant behandelt. Gewalttätige Auseinandersetzungen sind extrem selten unter Geeks, wenn es Ausgrenzung gibt, geht das subtiler.

    Es geht eben nicht darum, dass es immer Frauen gibt, die Männergesellschaften ertragen können, sondern darum, dass Männer zum Beispiel auch aktiv ihr Verhalten verändern und Privilegien als “normale” Mehrheitsgruppe aufgeben, damit es eben keine Männergesellschaft mit leichten Messfehlern ist, sondern ein Raum, in dem alle willkommen sind.

    Ich finde es umso erstaunlicher, dass das so schwierig ist, weil viele männliche Hetero-Geeks oft Ausgrenzungserfahrungen hinter sich haben (zumindest wenn man sich an Klischees klammert), die nicht unähnlich dem sind, was Soziologen als “Straight-Queer Masculinities” (http://de.wikipedia.org/wiki/Straight-Queer_Masculinities) beschreiben. Lieber hinter Jalousien am Rechner sitzen statt Fußball zu spielen und sich für Mangas begeistern wird gern mal von Altersgenossen als “schwul” und unmännlich ausgegrenzt. Aber wenn man selbst im Kreise der Geeks die Mehrheit stellt, soll das gleiche Spiel gespielt werden?

    Vielleicht hilft ein Gedankenexperiment: Angenommen ich fühle mich wohl in der mehrheitlich männlichen Defaultumgebung. Wenn ich mich für zwei Minuten in eine abweichende Rolle versetze, was würde mir auffallen? Wo würden Ansprüche an mich gestellt werden, die ich nicht erfüllen kann? Wo käme ich mir komisch und unnormal vor? Solche Reflexionen sind mir viel zu selten in Hackerspaces. Aktives Handeln in diese Richtung, die Mehrheitsverhältnisse umdreht, ist noch seltener.

    Hüten sollten wir uns vor allem vor dem komischen Argument, dass es eh alles nur ein US-amerikanisches Problem ist und bei uns alles supi läuft. Bei NYCResistor, einem Hackerspace in Brooklyn, lautet die erste Hausregel “Don’t Creep Out Girls”, ekle keine Frauen raus. Bei Noisebridge in San Francisco, einem gigantischen Hackerspace, wird auf der Mailingliste ellenlang debattiert, wie man den Space freundlicher für Trans-Männer, Trans-Frauen und Queers machen kann (ja, mit diesen Begriffen!). Von diesem Niveau sind fast alle deutschsprachigen Hackerspaces weit entfernt.

  7. SunTsu says:

    Es ist ja nicht so, dass sich Frauen nur dann mit Frauenfiguren identifizieren können, wenn sie gängige Klischees erfüllen. Vielleicht gibt’s ein paar, die gerne von Mario gerettet werden wollen. Aber die bessere Strategie wäre wohl, dafür zu sorgen, dass es ganz unterschiedliche Frauen-/Männer-/Tier-/Alien und was weiß ich für Figuren in Spielen gibt. Und eben nicht nur die Prinzessin und die übersexualisierte Kämpferin (Warum brauchen Männer eigentlich immer Schutzpanzer und Frauen können auch gut im Bikini fighten?) Die These ist wohl, dass eine vielfältigere Zusammensetzung des Entwicklungsteams zu einem breiteren Spektrum an Ideen für Figuren führen würde.

    Da bin ich ja mit Dir d’accord, Vielfalt ist etwas wunderbares, aber eben darum geht es mir: Frauen sind genauso vielfältig wie Männer, wie eigentlich jede andere Bevölkerungsgruppe. Warum fasst man das Ganze nicht weiter? Einfach größt mögliche Diversität, sowohl bei den Entwicklern wie auch beim Ergebnis? Es ist doch völlig egal ob Mann, Frau, Schwul, bi, schwarz, braun, gelb grün, whatever! Die eine Frau will gerettet werden, die andere will retten, super, die nächste findet Spielen unsinn, oder mag lieber Quiz spielen. Ich denke eben nicht, daß es DIE weibliche Note gibt. Warum also das Ganze nicht weiter fassen?

    Also: Wie können wir Leute, die hier vielleicht auch tolle Sachen machen wollen, gezielt ansprechen? Wie können wir ein angenehmes Klima gestalten? Commitment war ein wichtiges Stichwort, das auch auf dem Penal gefallen ist.

    Exakt das. LEUTE. Nicht FRAUEN. Aber es ist eben wie in jeder Gruppe: Jeder Mensch hat Dinge die ungern in Kauf genommen werden, diese muss man den anderen allerdings mitteilen, sonst können sie keine Rücksicht nehmen.

    Ich komme hier dann mal auf das skandalöse ASCII Nude zu sprechen. Nur dass mein Gegenüber weiblich ist bedeutet nicht, dass sich dieser Mensch daran stören wird. Ich fand es bezeichnend, daß die Gruppe auf dem Podium dank sagten, daß jemand eventuell die Initiative ergriff und es entfernen liess.

    Die erste Frage die sich mir stellte ist: “Warum habt Ihr nicht einfach selber drum gebeten es zu entfernen?” Das hatte für mich den Touch von Prinzessin die gerettet werden will. Alternativ hätten sie auch einen nackten Kerl ausdrucken können, und danebenhängen. Ich kenne Frauen die es stört, und ich kenne (auch hetero) Frauen die zuhause Bilder von nackten Frauen hängen haben, und das toll finden. Soll ich nun aufgrund des Geschlechts anfangen Präferenzen zu mutmaßen und im vorauseilenden Gehörsam alles vermeiden, was eine Klischeefrau stören könnte? Kommunikation ist hier der Schlüssel.

    Natürlich ist etwas dran, daß man öffentliche Räume nicht unbedingt sexualisieren muss, schliesslich geht es um Sachebenen, die sollte man von Sexualität trennen, aber wie weit muss man das treiben? Wo ist es sexualisierung, wo Kunst? Ich denke man kann das nicht so einfach beantworten, daher sollte man drüber reden, wenn es einen stört.

    Du schreibst ja, dass es ein Klischee ist, davon auszugehen, dass Frauen zwangsläufig ein geringeres Ego haben. Dazu finde ich ganz gut, was Antje Schrupp in den Kommentaren zu den oben verlinkten 15 Thesen geschrieben hat:

    Auch dieser Aussage von Antje Schrupp kann ich zustimmen, halte sie aber wieder für zu kurz gegriffen, weil nur auf Frauen bezogen. Ich musste schon Frauen und Männer ermutigen in einer Gruppe zu sprechen, oder für einen Rahmen sorgen, in dem das ging. Schüchternheit aus verschiedenen Gründen gibt es bei jederlei Geschlecht.

    Wie gesagt, ich behandle Menschen wie Menschen, und nicht anders, und sehe sie als Indivium, mit einer Vielzahl von Facetten, die ich nicht am Geschlecht oder sonst einem Merkmal pauschal festmachen kann. Ich will daß sich alle Menschen wohlfühlen, egal ob sie nun männlich, weiblich, Hindu, Moslem, Kurzsichtig oder was auch immer sind. Und genau da stößt mir die gegenwärtige Genderdebatte auf, weil sie eben nur einen Teil des Menschen betrachtet. Keine Frage, einen prägenden Teil, aber ist z.B. eine Religion weniger prägend? Zudem bedient diese Debatte viele Klischees, und fordert Andersbehandlung die auf Klischees begründet ist. Das halte ich nicht für zielführend.

    Hüten sollten wir uns vor allem vor dem komischen Argument, dass es eh alles nur ein US-amerikanisches Problem ist und bei uns alles supi läuft

    Das habe ich so nicht behauptet. Aber: Die geschilderten Erfahrungen konnte ich nicht mit meinen Erfahrungen abgleichen, und ich habe versucht mir diese Diskrepanz zu erklären indem ich für mich die These aufstellte, daß das wohl eher ein US-amerikanisches Problem darstellt, da sowohl Erfahrungswerte als auch Erklärungsansätze reine US-amerikanische waren. Erfahrungen aus deutschen Hackerspaces fehlten leider, die hätten uns dort vielleicht weitergebracht.

    Bei NYCResistor, einem Hackerspace in Brooklyn, lautet die erste Hausregel “Don’t Creep Out Girls”, ekle keine Frauen raus.

    Warum lautet sie nicht “Be nice” oder “Don’t creep out anybody”?

    Bei Noisebridge in San Francisco, einem gigantischen Hackerspace, wird auf der Mailingliste ellenlang debattiert, wie man den Space freundlicher für Trans-Männer, Trans-Frauen und Queers machen kann (ja, mit diesen Begriffen!). Von diesem Niveau sind fast alle deutschsprachigen Hackerspaces weit entfernt.

    Und genau dorthin will ich. Daß es um mehr Gruppen geht als um Frauen, eben um Menschen, in all ihren Facetten. Das war es auch, was ich mit zu kurzgegriffen meinte. Svenja hat z.B. Queers kurz angerissen, aber das war es auch, in diese Richtung wurde ansonsten nicht geredet. Warum nicht? Alles in allem war das Panel in einer binären Geschlechtersicht verhaftet, und das fand ich störend.

    Aber wenn man selbst im Kreise der Geeks die Mehrheit stellt, soll das gleiche Spiel gespielt werden?

    Da muss ich passen, weil mir sowas noch nicht untergekommen ist. Weder bei Piraten, noch unter Hackern, noch in diversen LUGs. Sicher gibt es vereinzelte “Aussetzer” unter den Anwesenden, aber ich halte das nicht für systematisch. Natürlich findet sich in jeder größeren Gruppe ein Mensch mit sexistischen Sichtweisen, oder jemand der Probleme mit Homosexualität hat, oder mit manchen Religionen. Das ist sehr schade, aber dem kann man nur mit Dialog entgegentreten, nicht mit willkürlichen Handlungsanweisungen. Beachte auch, daß ich das geschlechtsneutral verstanden wissen will. Ein bestimmtes Geschlecht macht noch lange keinen besseren oder schlechten Menschen.

    So, ich denke das war wieder lang genug, und ich hoffe die Quote-Tags richtig benutzt zu haben. Eine Previewfunktionalität wäre schön *g*

    Grüße,
    Sascha, SunTsu

  8. Jens says:

    Da muss ich passen, weil mir sowas noch nicht untergekommen ist. Weder bei Piraten, noch unter Hackern, noch in diversen LUGs.

    Das fällt mir ein bisschen schwer zu glauben, dass in allen Piraten-, Hacker- oder LUG-Zusammenhängen, in denen du dich je bewegt hast, der Frauenanteil (wie bei der Gesamtbevölkerung) bei knapp über 50% lag. Zumindest bei der SIGINT war es nicht so. Und das kann doch eigentlich nur bedeuten, dass bewusste oder unbewusste Ausschlüsse produziert wurden oder gesellschaftlichen Missständen nicht genug entgegengearbeitet wurde, oder?

  9. Philip says:

    Nur ein Kommentar zum Text; ich war nicht vor Ort und habe die Veranstaltung auch nicht online verfolgt:

    Ich hatte den Eindruck, dass vielen im Publikum nicht klar war, mit welchen Feminismen sie es auf dem Podium zu tun hatten. […] Anscheinend sind bestimmte Buzzwords wie Heteronormativität, Differenz oder Queer doch noch nicht angekommen…

    So ist es. Ich habe auch keine Ahnung. Ich habe so ein Bauchgefühl, dass mich der ganze Themenkomplex interessiert und auch Meinungen, aber ich habe eigentlich keine Ahnung. Und ich weiß auch gar nicht, woher die kommen sollte, wenn man sich nicht aktiv bereits in diesen Kreisen bewegt oder damit auseinander setzt.

    Deshalb halte ich auch meistens den Mund, weil ich bei anderen komplexen Themen gemerkt habe, dass manchmal schon der unreflektierte Gebrauch eines “falschen” Wortes dem besser informierten Gegenüber scheinbar zeigt, wessen Geistes Kind man ist, auch wenn man das gar nicht bewusst transportieren wollte.

    Das kann man vielleicht mit technischen oder Hacker-Themen vergleichen. So kennt man das vielleicht von dem einen oder anderen Vortrag auf CCC-Veranstaltungen: Da steht vorne jemand und wirft mit Begrifflichkeiten um sich und man hat nur so eine ungefähre Ahnung worum es geht.

    Was ich sagen will: Vielleicht müsst “ihr” (also, müssen wir) auch hier einfach vom DAU ausgehen. Einfach mal ein Panel machen, das bei Null anfängt. Woher soll das durchaus interessierte Publikum den wissen, was “Heteronormativität” bedeutet? In der Zeitung wird das sicher nicht erklärt.

    Ich lehne mich vielleicht weit aus dem Fenster, weil ich wie gesagt nicht dabei war. Aber vielleicht ist ein Teil des Unverständnisses zwischen Panel und Publikum auch einfach in dieser Schieflage der Informationstiefe begründet. Hier seid ihr nämlich die “Nerds” und die anderen möglicherweise die zunächst interessierten, aber dann überforderten User.

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